Öland
Endlich haben wir es einmal geschafft, auf eine kleinere Insel zu fahren. Normalerweise lassen wir Inseln aus, weil einfach die Zeit fehlt. Jetzt sind wir auf Öland und es war eine großartige Idee. Diese Insel erreicht man mit dem Auto über die Ölandbrücke. Sie stammt aus dem Jahre 1972 und ist Schwedens längste Brücke. Sie ist über sechs Kilometer lang und an der höchsten Stelle knapp zweiundvierzig Meter hoch.
Öland ist rund 130 Kilometer lang, misst an der breitesten Stelle 16 Kilometer, ist sehr flach und besitzt ein vollkommen eigenes Gesicht. Die Insel unterscheidet sich komplett von Schweden, in jeder Hinsicht.
Auffallend sind die kleinen Steinmauern überall, und es ist die Insel der Kühe. Fast auf Schritt und Tritt trifft man auf Jahrtausende alte Relikte, wie 2500 Jahre alte Grabfelder, manchmal sind die Monolithen darauf noch erhalten. Auch Ringwälle findet man, z.B. die Sandby-Burg bei Södra Sandby.

Dort fanden wir einen Platz für den Nachmittag und die Nacht. Der Strand ist allerdings gar nicht einladend, denn die Kühe sind dort oft unterwegs. Außerdem haben sich Seegras, verrottende Rotalgen und tote Quallen am Wasserrand angesammelt. Mancherorts riecht es sehr unangenehm. Interessant sind aber die Kalksteinplateaus am Ufer und die vielen Steine im Wasser, die sich Kormorane und Möwen als Sitzplätze ausgesucht haben.

Am Abend saßen wir bei einem Feuerchen am Strand, langsam ging die Sonne unter. Flache Nebelbänke bildeten sich über der See und der Küste. Sehr langsam, aber unaufhörlich, schlichen sie sich an uns heran und ließen Dinge verschwinden und wieder auftauchen. Es war schon etwas gespenstisch. Der Sonnenuntergang war dadurch ebenfalls etwas Besonderes.

Öland ist aber auch die Insel der Mühlen. Die älteste Mühle, die Königsmühle, steht in Björnhovda. Sie trägt den Namen „Kvarnkungen“ und ist die größte Bock-Windmühle Skandinaviens. Gleich in der Nachbarschaft stehen die Holländer-Windmühle „Drottningen“ und die klassische Bock-Windmühle Ölands namens „Kronprinsen“. Die Holländer-Windmühle wurde in den 1880ern aus Kalmar hier her gebracht. Alle drei Windmühlen sind kostenlos zu besichtigen und auf jeden Fall einen Besuch wert.

Weitere Windmühlen stehen manchmal in Reihe, so die fünf Windmühlen von Lerkaka, oder die sieben Windmühlen von Störlinge. Es ist die längste erhalten gebliebene Mühlenreihe Ölands. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es etwa 350 Windmühlen, so viele wie heute noch übrig sind. Um 1850 herum soll es an die 2000 Mühlen gegeben haben. Auf jeden Fall stehen überall in der Landschaft verteilt kleine Windmühlen auf Öland.

Die mit Abstand größte Windmühle Nordeuropas, und eine der größten Windmühlen der Welt, steht in Sandvik. Sie besitzt acht Etagen. Sie wurde 1856 in Vimmerby auf Schwedens Festland erbaut. Dort ging sie ziemlich schnell kaputt, wurde verkauft, demontiert und 1885 in Sandvik auf ein zweistöckiges Gebäude aufgesetzt. Bis in die 1950er-Jahre wurde sie betrieben und dann zu einem Café umgebaut. Für 3,-€ kann sie besichtigt werden.

In Störlinge ist auch das Landwirtschafts- und Motormuseum zu besichtigen. Der Eintritt kostet knapp 10,-€.
Was man auf Öland ebenfalls überall findet sind Hofläden, die Gårdbutiken. Je nach dem, was für ein Hof den Laden führt gibt es Gemüse, Fleisch, Milch oder Kunsthandwerk. Fast überall sind auch kleine Kunstgalerien zu finden. Vielerorts stehen kleine Verkaufsstände am Straßenrand, in denen man Honig, Obst oder Gemüse per Kasse des Vertrauens kaufen kann, ganz frisch vom Feld.
Was uns am meisten interessiert hätte, ist die Karamellkocherei in Bredsättra. Leider hat die gerade vor vier Tagen die Saison beendet und somit dauerhaft geschlossen.

Bei Ismantorp liegt die Ismantorp Borg. Diese ringförmige Burg wurde 300-600 n.Chr. aus dem Kalkstein der Insel erbaut und misst im Durchmesser knapp 130 Meter. Das Besondere an dieser Burg sind die 95 ovalen Grundmauern im Inneren, die sich erhalten haben. Die ganze Anlage war wohl vom Aufbau römischer Heerlager inspiriert. Die Nutzung war ebenfalls militärisch, diente aber auch als Lager für die Kriegsbeute. Es gab Wohnhäuser, Lager und Viehställe, also ein komplettes kleines Fort. Gewaltig ist es schon.

Eine noch größere Burg, allerdings ohne innenliegende Grundmauern, ist die Gråborg. Ihre Abmessungen liegen bei 210×160 Metern im Durchmesser. Die Mauern waren einmal 4-7 Meter hoch.
Öland besitzt sogar eine eigene Riviera, den kilometerlangen Sandstrand entlang der Bödabucht. Der größte Teil ist Schutzgebiet, deshalb gibt es wenige Zufahrten zum schmalen Strand. Dahinter türmen sich große Sanddünen, auf denen sich ein Kiefernwald gebildet hat. Zwischen den Bäumen wachsen Blaubeeren und Preiselbeeren, die inzwischen auch schon reif sind.

Das Wasser der Ostsee ist gerade nicht einladend, weil viel totes Seegras in Strandnähe schwimmt. Komischerweise wird es nicht an den Strand gespült.
Kirchen spielen auf Öland auch eine große Rolle. In Källa ist eine verlassene Kirche zu besichtigen. Der Innenraum ist ausgeräumt und die Kirche geschlossen, trotzdem ist sie interessant. Sie wird heute noch für sommerliche Events und Hochzeiten genutzt. Auf dem ehemaligen Friedhof liegen viele große Kalksteinplatten. Es sind Grabplatten, aber nur auf wenigen sind die gravierten Inschriften noch zu erkennen.

Auf dem Gelände ist noch die kleine Quelle zu sehen, die dem Ort seinen Namen gab, denn Källa heißt Quelle.
Ein Runenstein auf Öland berichtet von der Konvertierung der Insulaner im späten 11. Jahrhundert zum Christentum. Ungefähr zu dieser Zeit baute man an dieser Stelle eine Holzkirche. Sie wurde irgendwann durch Feuer und unruhige Zeiten vollends zerstört und eine Kirche aus Stein ersetzte sie. Die wiederum blieb bis 1888 in Dienst, bis die neue Kirche von Källa fertiggestellt war.
An der Küste liegt der kleine Hafen von Källa. Von 17. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war dies der wichtigste Hafen von Öland. Von hier aus transportierte man den heimischen Kalkstein bis ins Baltikum, welches teilweise schwedischer Besitz war. Der Betrieb endete, als in Sandvik auf der anderen Inselseite, der neue Steinhafen öffnete.

Heute stehen in Källahamn ein paar Hütten, die vermietet werden. Am kleinen Steg lag ein Fischerboot, welches gerade Flundern gelandet hatte. Wir kauften ihnen drei Flundern ab. Die kosteten uns keine 2,-€.
Auf Öland muss man eines gesehen haben: Trollskogen, auf der nordöstlichsten Spitze der Insel. Ein kleines Museum, eher etwas für Kinder, führt die Besucher in die Flora und Fauna des Trollwaldes ein. Auf dem anschließenden 4,5km langen Rundweg erkundet man verschiedene Ziele, die im Trollskogen zu sehen sind. Da ist zunächst der sehr artenreiche Wald selbst, mit Tannen, Kiefern, Fichten, Eichen, Birken, Wildapfel, Hagebutten, Haselnuss, wilde Johannisbeeren und noch andere. Manche Bäume werden von Efeu in den Würgegriff genommen, aber auch von Würgefeigen, die wir hier im Norden nie vermutet hätten. Wir können es immer noch nicht glauben, aber die Blätter sind eindeutig Feigenblätter.

Am Ufer der Ostseite liegt ein Stück Wrack. Es gehörte einst zu einem Dreimaster-Segelschiff, welches 1926 vor der Küste in einen Wintersturm geriet und sank. Die sieben Mann Besatzung konnte sich an Land retten.

Ein weiteres Highlight ist die 900-jährige Eiche „Trolleken“. In den Wäldern Nordölands stehen viele sehr alte Eichen. Als es früher noch nicht solch einen dichten Wald gab, konnten sich die Eichen gut entwickeln und so sehr alt werden. Die gewaltige Trolleiche steht allerdings kurz vor ihrem Ende.

Außerdem sind mehrere Grabhügel aus der Steinzeit erhalten, eine Teergrube aus der neueren Zeit und andere interessante Sachen.
Absolut irre ist der Wald an der nördlichsten Spitze des Trollskogen. Wir kennen verkorkste Bäume, durch Wind und Wetter klein gehaltene Bäume oder sonst wie verunstaltete Bäume, aber was hier auf dem Gelände steht ist einzigartig. Die Bäume sind derart verwachsen, wie es eigentlich nicht möglich ist. Der einzige Grund, warum diese Bäume so aussehen, kann nur der sein, dass die Trolle sie nach ihren Vorstellungen geformt haben, unglaublich. Sicher, Wind und Wetter kommen aus drei Richtungen, aber dieses Wetter kann nicht die Ursache für solch einen absurden Wuchs sein. Das muss man gesehen haben.

Von der äußersten Nordspitze des Trollskogen überblickt man die Inseln, die die Grankullavikbucht abschließen, und den Leuchtturm Långe Erik auf der anderen Seite der Bucht.

Der Leuchtturm Långe Erik, am nordwestlichsten Ende Ölands, kann über 138 Stufen bestiegen werden, allerdings gegen eine Gebühr. Was auffällt, sind die vielen Mehlbeerbäume, die uns schon vielerorts auf Öland begegneten. Zudem wächst viel Wacholder auf der Insel.
Folgt man nun der Westküste Ölands Richtung Süden, kommt man zuerst zu den Neptunsfeldern. Das ist eine Schotterlandschaft, die sich in einem breiten Streifen entlang der Kalksteinküste ausbreitet. Dort wächst so gut wie nichts, seltsam.

Der nächste Ort ist Byxelkrok, ein alter Fischerhafen. Die alten Hütten stehen noch am Hafen, nur dass heute Souvenirs und Kunsthandwerk darin verkauft werden, oder es sind Restaurants und Café´s untergebracht. Auf jeden Fall ist das schön anzusehen. Gerade lief eine Fähre ein, die Öland mit dem schwedischen Festland verbindet.

Bevor es an der Küste weitergeht, bogen wir zu den Steinzeitdörfern Rosendal und Skäftekärr ab. Viele Orte auf Öland wurden in der Steinzeit gegründet, darüber gibt eine Infotafel Aufschluss. Zu sehen ist vom Boden aus nicht viel. In Rosendal zeigen Tafeln, wie die ziemlich große Siedlung, inkl. Grabfeld, einmal ausgesehen haben mag. Sieht man Luftaufnahmen von Rosendal, kann man doch vieles gut zuordnen.

In Skäftekärr wurde ein steinzeitlicher Hof rekonstruiert. Für ein paar Wochen im Sommer füllt ein Verein diesen Hof mit Leben. Dann können sich Besucher ins Steinzeitleben zurück versetzen lassen. Das ist bestimmt interessant. Leider schloss der Hof vor wenigen Tagen seine Pforten.

Einen Besuch sollen man jedoch dem Fossilienmuseum abstatten. Der Eintritt kostet ca. 5,-€ pro Person. Da wir alleine waren, machte der Eigentümer, Amateurgeologe Gösta Toreld, eine Privatführung mit uns und erklärte uns auch gleich, dass es eine der größten Privatsammlungen von Fossilien weltweit ist. Er arbeitet seit über 45 Jahren mit Sammlern, Organisationen usw. weltweit zusammen, um seine eigene Sammlung immer noch zu erweitern. Die beinhaltet Meteoriten, Stücke davon, verschiedene schöne Steine, Fossilien aller Art und eine Replik des kleinen Mammutbabys, welches vor Jahren in Sibirien gefunden wurde. Der Eigentümer zeigte uns ein Foto vom Originalfund. Über eine weltweite Zusammenarbeit entstand letztendlich das kleine Mammut in China, welches sein Museum krönt und das Maskottchen des Museums ist.

Das alles wird auf Anschauungstafeln erläutert und es gibt weiterführende Informationen zu den Ausstellungsstücken, von der Urzeit bis zur Eiszeit. Sehr interessant.
Das Foto habe ich mit seiner Erlaubnis gemacht und veröffentlicht.
Im noblen Landhaus kann man dann einen Kaffee trinken oder sich ein Stück Kuchen oder ein Eis schmecken lassen.

Zurück an der Westküste erreicht man die nächste Sehenswürdigkeit, die Rauken von Byrum. Das sind Kalksteinformationen, die von Wind und Wellen geschaffen wurden. Hier kann man die einzelnen Schichten im Kalkstein genau erkennen.

Von nun an führt ein mal asphaltierter Weg, mal waschbrettmäßiger Schotterweg immer an der Küste entlang. Immer kommen neue Sehenswürdigkeiten in Sicht, wie aus Kalkstein errichtete kleine Fischerhütten, verschiedene Kalksteinbrüche, eine Scheuermühle und kleine Fischerdörfer.
Den großen Steinbruch Gillberga darf man teilweise besichtigen. Hier wird noch heute in großem Stil Kalkstein abgebaut. Die Grube wird von 18 Meter hohen senkrechten Kalksteinwänden begrenzt. Das heißt, man erhält Einblick in 18 Millionen Jahre Erdgeschichte. Ein Lehrpfad erklärt die Entstehung der Erde, über die Entstehung der verschiedenen Gesteinsschichten auf Öland bis hin zur Entwicklung der Tiere und des Menschen.

Der Kalkstein an der Westküste hat sogar einen eigenen Namen: Ortocer-Kalkstein. Ortoceren waren eine Art Tintenfische, deren versteinerte Überreste in Unmengen am Ufer des Kalmarsunds zu Tage treten. In den Kalksteinplateaus, die bis ins Wasser reichen, sind sie so zahlreich vorhanden, dass man kaum einen Schritt setzen kann, ohne ein Fossil zu erwischen. Diese Tintenfische wurden bis zu einem Meter lang und der größte, den wir fanden, hatte am Kopf einen Durchmesser von ca. 10 Zentimetern.

Als Fossilienbegeisterte war ich hier im Paradies, aber es sind auch viele Überreste von Trilobiten zu sehen. Leider sind die meisten Fossilien herausgebrochen und nur noch die Abdrücke vorhanden. Nach einiger Suche fanden wir sogar Abdrücke von großen Seelilien.

Wer einen Blick für Geologie hat und schon einmal auf der estnischen Insel Saaremaa war, erkennt sofort Parallelen. Im Fossilienmuseum in Skäftekärr zeigte eine Tafel, wieso das so ist. Der Boden, bestehend aus Sandstein, Lehmschiefer, Alaunschiefer und Kalkstein in übereinanderliegenden Schichten, reicht von Öland quer über die Ostsee bis nach Saaremaa. Deshalb sind beide Inseln vom Aufbau her gleich. Sehr interessant.
Manche Kalksteinplatten wurden zu Fußbodenplatten verarbeitet. Dafür schliff man mit Hilfe einer Windmühle, der Scheuermühle von Jordhamn, die Oberflächen glatt. 2005 feierte diese Mühle ihren 100sten Geburtstag. Vor dem Betrieb der Mühle besorgten Ochsen und Pferde mit der gleichen Schleiftechnik die Arbeit. Sie brauchten für einen Durchgang eine Woche. Die Mühle schaffte die gleiche Arbeit dann an einem Tag.

Kleinere Steinbrüche mit grauem oder rotem Kalkstein sind an der gesamten Steinküste zu finden. Eigentlich wurde die ganze Küste angeknabbert. Den Abraum kippte man an den Abbaustellen wieder ab.
An einer Stelle zwischen Sandvik und Djupvik steht ein ganzer Wald Steinmännchen aus rotem Kalkstein, direkt an der Küste. Hat man hier einen Wettkampf veranstaltet oder warum steht dieser Wald gerade an dieser Stelle?

Bei Äleklinta endet der Küstenweg. Auf der ganzen Länge, außer in den Bereichen der Naturparks, stehen viele Parkmöglichkeiten am Rande des Weges zur Verfügung, auf denen man auch übernachten kann. Es sind wunderbare Plätze zwischen dem mehr oder weniger grünen Land und der Steinküste. Auf der einen Seite kann man Sonnenuntergänge beobachten, auf der anderen Seite die Mondaufgänge, wenn das Wetter mitspielt, versteht sich.

Zusammenfassend gibt es auf Öland mehr zu sehen und zu erleben, als auf dem schwedischen Festland, haben wir den Eindruck. Es ist eine sehr interessante und abwechslungsreiche Insel. Neben den erwähnten Zielen locken viele Naturparks und Moorlandschaften, oder sogar eine Kamelranch. Viele Ziele schließen jedoch spätestens am 15. August, so dass der touristische Betrieb auf der Insel rasch abnimmt, was gut für die Wohnmobilfahrer ist. Wir hatten jedenfalls eine wunderbare Zeit auf Öland.

