Küste von Maine
Wir haben den nördlichsten Bundesstaat an der Ostküste der USA, Maine, erreicht. Das Bild hat sich geändert. Es gibt viele Felsen in der Landschaft, die Küste ist rauher und riecht nach Seetang, es gibt wieder richtige Gezeiten und der Baustil, die kleinen Steinmauern und Ziehbrunnen erinnern manchmal an die keltisch geprägten Küsten der Normandie und Bretagne. Manchmal sieht man normannisches Fachwerk. Es gibt Birkenwälder und anscheinend beginnt hier das Reich der Elche. Der sonst so kostbare Hummer ist hier ein Grundnahrungsmittel, den man an jeder Ecke bekommt. In Kennebunkport, einem historischen kleinen Hafen, haben wir uns ein Lobster-Diner (ein 1¼-Pfund-Hummer, Pommes frites, Salat und ein Schälchen zerlassene Butter) für ganze 12,99 $ (das sind um die 10,- €) schmecken lassen. Dabei war der Hummer auf den Punkt gegart, herrlich saftig und aromatisch, wie er sein soll. Das werden wir auf jeden Fall wiederholen.
Unser nächstes Ziel war „Len Libby“ kurz vor Scarborough. Das ist eine kleine Schokoladen- und Bonbonfabrik, die einen lebensgroßen Schokoladenelch, aus 1700 Pfund Milchschokolade gemacht, im Laden stehen hat. Umrahmt wird „Lenny“ von Mutter-Schwarzbär Libby und ihren Bärenkindern Cocoa und Chips, die alle drei aus Dunkler Schokolade gemacht sind. Die Schoko-Tiere sind umrahmt von einem Stück authentischer Landschaft. Wir finden das eine schöne Idee. Über einen Bildschirm werden die Leute darüber informiert, wie „Lenny“ entstanden ist. Also, ich finde, mit Schokolade zu modellieren ist ganz schön lustig.
In South Freeport kamen wir in den Genuss einer kleinen Führung durch die kleine „Maine-Distilleries“, in der aus feinsten Maine-Kartoffeln und bestem Quellwasser Wodka hergestellt wird. Durch Beigabe von Blaubeeren bekommt man Blaubeer-Wodka und durch verschiedene andere natürliche Zusätze erhält man auch einen hervorragenden Gin. Das Sortiment dieser Destillerie umfasst ganze drei Schnapssorten. Übrigens haben wir in Rockland den ersten Supermarkt in den USA gefunden, der Schnaps und Likör verkauft. Sonst bekommt man dort maximal Wein. Selbst die Cocktails gibt es nur ohne Alkohol. Den muss man sich im Licour-Store dazu holen.
Kurz vor Rockport steht eine kleine Käserei, die jedoch horrende Preise verlangt. Im Verkaufssortiment hat sie allerdings auch andere regionale Produkte von verschiedenen Farmen und Handwerksbetrieben.
Bevor man nach Bucksport kommt, überquert man eine nagelneue Hängebrücke. Die alte, ebenso sehenswerte Fachwerkbrücke aus Stahl, steht noch daneben. Mit einem Fahrstuhl in einem der zwei Pylone der neuen Brücke gelangt man in dessen 400 Fuß hohe Spitze. Von dort aus soll man einen schönen Blick auf Fort Knox, Maines größtes historisches Fort, haben. Dieses wurde zwischen 1844 und 1869 gebaut und war im Bürgerkrieg und im Spanisch-Amerikanischen Krieg besetzt.
Den Acadia National Park haben wir nicht besucht. Es ist der zweitmeist besuchte Nationalpark der USA und nach der anstrengenden Reise an der gerade zu dieser Jahreszeit (Juli/August) überfüllten Ostküste wollten wir uns das nicht mehr antun. Die wunderschönen Berge des Parks haben wir von einem Aussichtspunkt an der US1 bewundert.
Ab Gouldsboro änderte sich das Bild der Landschaft ein zweites Mal. Es gibt Lärchen in den Wäldern, die lichter geworden sind. Dazwischen sieht man immer mehr tundraartige Flächen, die nur ein kleines Wachstum zulassen. Meinen ersten frei fliegenden Weißkopf-Seeadler habe ich gesichtet und die Häuser und Einkaufsmalls sind kleiner geworden. Der Verkehr ist geringer und die Wasserflächen nehmen zu. Es sind keine 30°C mehr, aber immerhin noch 26°C. Die Nächte sind für unser derzeitiges Empfinden dafür schon ganz schön kalt.
Der letzte Ort vor der kanadischen Grenze ist Calais. Kurz vor Calais liegt die kleine Insel „St. Croix Island“ in der Passamaquoddy Bai. Auf dieser winzigen Insel landeten am letzten Augusttag 1604 die ersten 78 Franzosen mit ihren Segelschiffen unter Pierre Dugua, Sieur de Mons, Nobelmann, Entdecker und Generalleutnant der Akadier. Das Land um die Insel herum gehörte den Passamaquoddy, ansässigen Indianern. Warum die Franzosen im nächsten Winter nicht aufs Festland gingen, sondern 50 Mann von Ihnen auf der Insel starben, weil sie nicht auf den Winter vorbereitet waren, kann ich mir nicht erklären. Lagen sie in den paar Monaten mit den Einheimischen im Klintsch? Es war jedenfalls eine harte Lehre für die Franzosen, aus der sie gelernt hatten und es folgten bald noch mehr Siedler. Heute ist die Insel ein International historischer Ort, der von den USA in Gemeinschaft mit der kanadischen Regierung gepflegt wird.
Bald hätte uns die Flut festgehalten. Am „Devils Head“ etwas nördlich vom historischen Punkt „St. Croix Island“, haben wir es uns am Strand der Passamaquoddy-Bucht gemütlich gemacht, den es nur gibt, wenn Ebbe ist. Ansonsten findet man dort nur zerklüftete Felsen. Wir haben zwar die Flut immer im Auge gehabt, jedoch war der erste Strand, der durch eine Felsnase vom zweiten Strand, den wir uns ausgesucht hatten, getrennt und daher für uns unsichtbar war, offensichtlich etwas niedriger gelegen. Als das Wasser vermeintlich hoch genug war, um den Rückweg anzutreten, war es schon fast zu spät. Uns blieb nur noch, über die am höchsten gelegenen Felsen zu klettern, um den Ausgang zum Parkplatz zu erreichen. Man sollte doch vorsichtiger sein. Der Tidenhub ist in der Bucht schon ziemlich gewaltig. Als Notausgang hätte dann nur noch das Dickicht des dahinterliegenden Waldes gedient.
Übrigens, das meistgebrauchte Wort auf dieser Reise ist bis jetzt: Tüte. In jedem Supermarkt bekommt man eine Unmenge Plastiktüten, in die die eingekauften Waren verstaut werden. Meist sind in einer Tüte gerade drei bis vier kleine Artikel, dann kommt die nächste Tüte dran. Sogar die Gallonenbehälter für das Trinkwasser kommt in eine solche Tüte, die dann fast zu reißen droht. Hauptsache, es ist alles in Tüten verstaut. An den Kassen stehen praktischerweise gleich Tütenrondelle. Wir nutzen dann diese Tüten als Mülltüten, wobei wir so viele Mülltüten gar nicht verbrauchen können. Es ist bis jetzt nur zweimal vorgekommen, dass die Waren wieder im Einkaufswagen landen und einmal, dass wir eine Papiertüte bekamen. Der blanke Plastiktütenwahnsinn. Unsere Ablehnung gegenüber dieser Tüten stößt da schon manchmal auf Unverständnis. Einmal kam es sogar vor, dass die Kassiererin partout den einen kleinen Artikel unseres Einkaufs in eine Plastiktüte steckte. Sie bekäme sonst Ärger mit dem Chef.