Mumbai Sightseeing
Mumbai ist für indische Verhältnisse sehr sauber, aber es gibt auch hier, wie in Delhi Slums und Bettler. Die Fußwege können von den Fußgängern genutzt werden, aber man kann auch in Mumbai keine drei Schritte geradeaus laufen. Der Straßenverkehr nimmt sich im Vergleich zu Delhi nichts, allerdings haben wir noch keine Ochsenkarren oder Tiere auf den Straßen gesehen.
Unsere Ziele in Mumbai waren das Gateway of India und der Victoria Terminus, der Hauptbahnhof. In Mumbai bekommt man jederzeit und überall ein Taxi. Man sollte jedoch die Preise kennen, sonst wird man schnell über den Tisch gezogen. Für uns ist das nach fünf Wochen Indien kein Problem mehr. Wer allerdings in Mumbai landet und keine Ahnung von Indien hat, der zahlt sehr schnell und sehr viel drauf.
Wir ließen uns also zuerst zum Gateway of India fahren, zirka vier Kilometer von unserem Hotel entfernt. Dort angekommen, mussten wir feststellen, dass wir uns ausgerechnet den falschen Tag ausgesucht haben. Das Tor war großräumig abgesperrt worden und das Militär aufmarschiert, mit bewaffneten Soldaten überall, Flak und Militärfahrzeugen. Scharfschützen sahen wir auf den Häusern rundum und Hubschrauber überwachten den Raum aus der Luft. Vor dem Tor hatte man eine Tribüne aufgebaut. Offensichtlich sollte eine große Veranstaltung stattfinden. Da wir die Zeitung, die heute morgen vor unserer Zimmertür lag, unbeachtet ließen, wussten wir nun nicht, was der Anlass für diesen Aufmarsch war. So konnten wir das Gateway of India nur unzureichend besichtigen.
Gleich nebenan steht das mondäne Taj Mahal Palace.
Vor dem Gateway of India stehen überall Leute, die zu einer Bootsfahrt auf die Elefanteninsel oder zu Stadtrundfahrten einladen.
Wir drehten eine Runde um den Block, wie es in Amerika so schön heißt, und kamen dabei am Haus der Heilsarmee vorbei und eine Straße weiter an teuren Shops, vor denen Billigwaren am laufenden Meter angeboten werden.
Da hier nichts weiter zu sehen war, suchten wir uns das nächste Taxi, dass uns zum Viktoria Terminus brachte. Der Chhatrapati Shivaji Terminus, wie der Bahnhof auf indisch heißt, fiel ja vor einigen Jahren terroristischen Anschlägen zu Opfer. Davon ist nichts mehr zu sehen. Das altehrwürdige Gebäude ist sehr imposant, aber außer dem Bahnhofsbereich, der irgendwann um einen Neubau erweitert wurde, kann man nichts weiter besichtigen. Überall hängen Überwachungskameras und wird Streife gelaufen.
Gleich nebenan steht ein Gebäude, dass wie ein ehemaliger Maharaja-Palast aussieht. Es wurde jedoch von den Engländern gebaut und ist im Besitz der Indischen Post.
Am Gateway of India hörten wir von einer großen Wäscherei, in der über zweitausend Leute beschäftigt sein sollen. Ich weiß nicht, wie viele Taxifahrer wir auf unserer Erkundungstour in der Nähe gefragt haben. Niemand konnte uns sagen, wo diese Wäscherei ist. Da es erst Mittag war, entschlossen wir uns, zum Gateway of India zurück zu fahren und doch noch solch eine Stadtrundfahrt mitzumachen. Der gleiche Mann, der uns vorhin schon angesprochen hatte, sprach uns wieder an. Er hatte eine Liste mit den Sehenswürdigkeiten dabei. Die Tour sollte um die drei Stunden dauern. Nachdem wir sogar noch ein bisschen den Preis drücken konnten, was in Indien eigentlich nicht üblich ist, führte er uns zu einem Taxi. Der Fahrer sprach englisch und er brachte uns nun zu Mumbais Sehenswürdigkeiten.
Den Anfang machte die große Wäscherei Dhobi Ghat fast ganz im Süden der Stadtteils Colaba. Der Taxifahrer hielt vor einem Viertel, in dem auf den Dächern Wäsche getrocknet wird. Unten sind lauter kleine Shops untergebracht, und darüber Behausungen, anders kann man dazu kaum sagen, zu denen meistens Hühnerstiegen führen. Ein Eingang in das Viertel war nicht zu sehen, aber unser Taxifahrer führte uns durch irgendein Schlupfloch in eine andere Welt. Durch eine Reihe kleiner, offener Räume führte er uns ins Herz der Wäscherei, die an die uralte Färberei im marokkanischen Fez erinnert. Jede Menge kleiner Wasserbassins mit Seifenlauge bilden den Mittelpunkt der Wäschersiedlung, in der auf kleinstem Raum gelebt und gearbeitet wird. Wenn die Wäsche hier ankommt, wird sie zuerst gekennzeichnet. Dann wird sie verteilt, gewaschen, gespült, getrocknet und gebügelt. Vom Bringen der Wäsche bis zur Auslieferung vergeht ein Tag. In der vier Monate langen Monsunzeit dauert der Prozess zwei Tage, da das Trocknen der Wäsche durch Maschinen erfolgen muss, die nicht in ausreichender Menge vorhanden sind. Restaurants, Hotels, das Militär, alle lassen hier ihre Bettwäsche, Handtücher oder Uniformen bis hin zu Teppichen waschen. Wie die Leute bei dem Durcheinander noch wissen, was wo ist, ist uns ein Rätsel. Es gibt sogar ein paar wenige Privilegierte, die eigene Maschinen und ihr eigenes Reich haben. Sogar zwei Schulen sind in diesem Viertel untergebracht, eine die ersten drei Klassen und eine die nächsten drei Klassen umfassende Schule. Das muss man einfach gesehen haben.
Als nächstes Ziel hielten wir im benachbarten Fischerdorf. Hier konnten wir überhaupt nicht erkennen, wo die Leute wohnen. Chaos überall, dazwischen Boote und kleine Fische auf Trockengestellen. Bunte kleine Boote liegen in der kleinen Bucht. Überall stinkt es nach Fisch. Wie können Menschen nur so leben?
Nach diesem Besuch besichtigten wir den einhundert Jahre alten Shri Adishwarji Jain Tempel. Er ist klein, aber sehr fein. Alles ist aus Marmor und bunt bemalt. Das Ganze sieht schon fast kitschig aus. Die Türen, Truhen und viele andere Dinge sind mit Silber beschlagen und mit Edelsteinen verziert. Das Stifterehepaar wird mit Büsten geehrt, die vor dem Heiligtum stehen. Der Zutritt ist uns ein weiteres Mal untersagt, aber wir durften fotografieren. Das waren auch die letzten Bilder, die wir auf der Tour machen konnten, denn die Batterie machte in dem Moment schlapp.
Über den Marine Drive, der seiner runden Form um die Bucht wegen und seiner nächtlichen Beleuchtung auch die „Halskette der Königin“ genannt wird, erreichten wir den Malabar Hill, von wo aus wir einen schönen Blick über die Bucht hatten.
Als wir am Abend vorher am Wasser saßen, stieg uns ein unangenehmer Geruch vom Wasser aus in die Nase. Wir gingen jedoch davon aus, dass dies von den Ablagerungen zwischen den Steinen herrührt. Unser Taxifahrer sagte, dass die gesamte Bucht bis zu sechzig Kilometer weit ins Meer hinaus, absolut von Abwässern aller Art verseucht ist. Niemand geht dort baden, obwohl es auch einen Strand gibt. Heftige Hautreizungen wären die Folge. Die Situation ist also viel ernster als wir annahmen.
Die hängenden Gärten, der schöne Kamala-Nehru-Park auf dem Hügel heißt so, weil sich darunter ein dreißig Millionen Gallonen-Wasserreservoir befindet. Das Wasser wird mit Motorpumpen aus zweihundert Kilometern Entfernung hierher gepumpt und versorgt ganz Mumbai mit Trinkwasser.
Nur ein paar Schritte weiter befindet sich der Tower of Silence. Es ist die Begräbnisstätte der Religionsgemeinschaft der Parsen, von denen zirka siebzigtausend in Mumbai leben. Bis vor ungefähr zehn Jahren wurden die Toten dorthin gebracht und von Mitarbeitern des Geländes auf den Gittern der drei Türme abgelegt. Drei Tage lang sprach man Gebete, dann überließ man die Leichen den Geiern. Die übriggebliebenen Knochen bleichten in der Sonne und fielen irgendwann durch die Gitter in die Türme. Ab und zu regnete es dann auch einmal kleinere Leichenteile auf die Stadt. Da die Geier in Indien durch Menschenhand fast ausgestorben sind, werden die Toten seitdem verbrannt. Es gibt jedoch Pläne einer Wiederbelebung des alten Rituals, wozu eine teure Geierzucht ins Leben gerufen wurde. Der Malabar Hill ist inzwischen ein Nobelviertel. Da wird es wohl zu Problemen kommen.
Zuletzt statteten wir dem Haus Gandhis einen Besuch ab, das heute ein Museum zum Leben und Tod des Großen Freiheitskämpfers ist.
Auf unserer Tour durch den Stadtteil Colaba kamen wir durch das Konsulatsviertel, am Gästehaus für Minister und dem College vorbei, fuhren wir durch das Gold- und Diamantenviertel, das Autoviertel und an „Klein England“ vorbei. Von der Straße aus sieht die Silhouette wie die Silhouette in London aus, mit dem Parlamentsgebäude, Big Ben, Westminster Abbey und dem Tower. Davor breitet sich der Oval Maidan Cricketplatz aus.
Das war eine schöne Stadtrundfahrt, ohne die wir Mumbai nie soweit kennengelernt hätten.