Côte Vermeille
Der allersüdlichste Küstenabschnitt Südfrankreichs ist die Côte Vermeille, die Zinnober- oder Purpurküste. Felsige Landzungen strecken sich ins Meer, nicht weniger felsige Buchten liegen dazwischen.
Argeles-Plage ist eine Stadt der Neuzeit und hat fast nur Hotelzimmer, Ferienwohnungen sowie Campingplätze zu bieten, natürlich inklusive der unvermeidlichen Kneipen- und Ladenmeilen. Der lange und breite Strand ist durch eine grüne Promenade von der Stadt getrennt. Um diese Jahreszeit haben nur ungefähr fünf Prozent der Kneipen und Läden geöffnet, alles wirkt wie ausgestorben. Im Sommer möchten wir dagegen nicht hier sein, da sieht man sicher vor lauter Menschen sonst nichts mehr.
Wesentlich attraktiver ist dagegen der Ort Collioure mit seiner farbenfrohen, gewachsenen Altstadt, die sich um eine Bucht schmiegt. Auch hier finden sich wieder enge Gassen, schmale Häuser und gemütliche Eckchen.
Blickpunkte an der Bucht sind das Château Royal und die Notre-Dame-des-Anges. Die Burg dient seit jeher den französischen Kommandotruppen als Ausbildungsstätte. Gerade wurden wir Zeuge, als Kampfschwimmer mit Kajaks von einer Übung zurückkamen.
Die Kirche kann von innen besichtigt werden. Deren Seiten beherbergen, ebenso wie die Kathedrale in Perpignan, verschiedene geschnitzte Altäre und Wandmalereien. Allerdings gibt es keine Orgel. Der runde Turm der Kirche war im 17. Jahrhundert ein Leuchtturm, der die Einfahrt nach Collioure markierte.
Vom Leuchtfeuer auf der Mole aus hat man einen schönen Blick über das gesamte Ensemble Stadt, Burg und Kirche. Auf dem felsigen Kap, alles hier ist Schiefer, steht eine kleine Seefahrerkirche. Von dort aus blickt man auf die Rückseite einer Häuserzeile, die direkt am Abhang steht.
Über Collioure thronen zwei weitere Burgruinen sowie eine Windmühle.
Port Vendres sieht wieder etwas neuer aus. Die Stadt gruppiert sich um einen großen kommerziellen Hafen, der einzige Fischereihafen, der an der Küste noch übrigblieb.
Gleich hinter dem Hafen biegt man zum le Cap Béar ab. Zufällig fanden wir dieses Ziel auf einem Touristinfo-Plan in St.-Cyprien-Plage. Oben auf dem höchsten Punkt des Caps sitzt wieder die Armee. Die schmale Straße, die um den Stützpunkt und um den Berg herum führt, endet am Leuchtturm des Cap Béar. Gern wird der Weg, immer am Wasser entlang, auch gewandert.
Auf der Capspitze stehen noch Ruinen einer ehemaligen Verteidigungsanlage der Deutschen. 120 Mann waren hier von 1942 bis 1944 stationiert. Beim Abzug der Deutschen zerstörten sie diese Anlage genauso, wie den Hafen und die Schiffe, die heute vor dem Hafen auf dem Meeresboden liegen. Das erinnert uns an Narvik in Norwegen, wo das Gleiche geschah.
Von der äußersten Capspitze lässt sich die gesamte Côte Vermeille überblicken. Im Frühjahr und im Herbst sollen hier zehntausende Meeresvögel wie der Mittelmeer-Basstölpel oder Papageientaucher Station machen.
An der Côte Vermeille reichen die Berge der Albéreskette bis ans Meer. Die D115 führt direkt an den Bergen entlang, bis an die spanische Grenze. Da wir nicht nur Küste, sondern auch Berge sehen wollten, unternahmen wir eine Rundfahrt ins Hinterland. In Céret, dem Ort direkt am Eingang zum Vallespir, wie sich das Tal nach Spanien nennt, lenken gleich drei nebeneinander liegende Brücken die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Die Brücken überspannen den Fluss Tech, der aus den Bergen kommt. Die südliche Bogenbrücke, die Teufelsbrücke aus dem 14. Jahrhundert, ist die älteste der drei Bauwerke. Als diese wohl für den modernen Verkehr nicht mehr ausreichte, baute man direkt daneben die neue Autobrücke. Im Norden, nur ein wenig weiter, steht eine Eisenbahnbrücke, wahrscheinlich aus der gleichen Zeit wie die Autobrücke. Der Bahnverkehr ist jedoch schon vor langer Zeit eingestellt worden, denn die Natur erobert sich das Gleisbett zurück.
Über die Eisenbahnbrücke hinweg prangen die schneebedeckten Berge, der Pic du Canigou (2784m) und der Pic des Très Vents (2731m) vor dem blauen Himmel in nicht allzu weiter Ferne.
Der D118 weiter folgend, kommt man durch Amelie-les-Bains. Die heißen Quellen, die hier zutage treten, werden von einem Hotel genutzt. Der Ort streckt sich entlang des Tech-Tales zu beiden Seiten. Viele der Häuser klettern dabei die Berghänge hinauf.
Bei Arles-sur-Tech biegt eine Straße nach Corsavy ab. Mit teilweise 14% Steigung führt die Straße zu diesem Bergort, der auf 780m liegt. Die Straße führt dann noch knapp zehn Kilometer weiter den Berg hinauf, zum Pic de l´Estelle (1778m). Dieser Gipfel liegt gleich neben den beiden vorher erwähnten schneebedeckten Berggipfeln, die man von dort aus ganz bestimmt zum Greifen nah hat.
Corsavy ist ein altes Bergdorf, durch dessen Gassen man bergauf und bergab unbedingt einmal schlendern sollte. Die meisten Gassen sind nicht befahrbar, so eng sind sie. Andere Gassen sind mit Stufen ausgestattet, um die Höhenunterschiede zu bewältigen. Hier scheint das Leben stillzustehen. Es herrscht eine himmlische Ruhe und an vielen Orten eröffnet sich ein Blick über die bergige Landschaft bis hin zum Meer.
Um noch mehr von der Pyrenäen-Bergwelt mitzubekommen, nahmen wir den Weg von Amelie-les-Bains aus über die D618. Diese Straße sollte jedoch nur befahren, wer genug Zeit und Ausdauer hat, denn die 40 Kilometer bestehen nur aus Kurven. Unzählige Berghänge müssen umfahren werden, die unendlich weit scheinen und zum größten Teil mit Korkeichen bestanden sind.
Nur wenige Dörfer und ein paar Einzelgehöfte liegen an der Straße. St. Marsal liegt als einziges Dorf auf einer Bergspitze, ziemlich in der Mitte der Strecke. Hier parkten wir noch einmal das Auto, um durch die Gassen zu spazieren. Auf dem Place de Republique, an dem das Restaurant und die Schule stehen, tranken wir einen Café.
Man soll es nicht glauben, aber an vielen Stellen sind Stellplätze für Wohnmobile eingerichtet. Man sollte sich allerdings schlau machen, bis zu welcher Größe die Stellplätze angefahren werden können, denn manche Zufahrten sind abenteuerlich.
Ab St. Marsal führt die Straße abwärts, bis man bei Bouleternère auf das Flachland stößt. Durch unendliche Weinfelder, jetzt im Herbst in vielen Farben leuchtend, erreicht man wieder die Küste.
Durch diese kleine Tour lernten wir wenigstens ein wenig die Bergwelt der Pyrenäen kennen, die sich von der Mittelmeerküste entlang der spanischen Grenze bis zur Biskaya im Norden erstrecken.