Lahemaa Nationalpark
Der größte Nationalpark Estlands ist zugleich der nördlichste Punkt unserer Baltikumreise. Wir brauchten viel zu lange, um hierher zu kommen. Es waren einfach viel zu viele schöne Reiseziele, die auf unserem Weg lagen. Deshalb werden wir nicht über Finnland, Schweden und die Lofoten nach Deutschland zurückfahren, sondern die Baltischen Staaten über das Landesinnere in Richtung Polen verlassen. Es wäre doch zu schade, die vielleicht genauso vielen Reiseziele im Landesinneren auszulassen.
Lahemaa heißt: Land der Buchten. Der Nationalpark umfasst vier Halbinseln, dazu das Land bis zur Fernstraße 1 und der großzügige Teil des Finnischen Meerbusens, der die Halbinseln umspült. Es ist eine Gegend, in der Naturliebhaber voll auf ihre Kosten kommen. Sogar die allermeisten Straßen sind ausgebaut. Bären und Elche zu beobachten, dafür kommen die meisten Touristen in dieses Gebiet, ist aber leider eher unwahrscheinlich.
Von unserem Stellplatz in dem kleinen Hafen Vergi aus, auf der rechten Halbinsel, erkundeten wir einige Orte des Lahemaa Nationalparks. Es ist nicht nur das Land der Buchten, sondern auch das Land der Steine. Unzählige Findlinge aus der letzten Eiszeit liegen in der Gegend herum. Die Kalksteinkante, der wir im Norden Saaremaas begegnet sind und die ihren Anfang auf Gotland nimmt, setzt sich an der Nordküste Estlands fort. Besonders schön sieht man es am Wasserfall Nõmmeveski südlich der Eru Bucht. Das Wasser fällt zwar nur über eine knapp zwei Meter hohe Kante, aber die Lage und die Landschaft drumherum sind toll. Die senkrechten Kalksteinwände sind bis zu zwanzig Meter hoch. Es ist das erste Mal, dass wir abseits der Küste solche Höhenunterschiede gesehen haben. Der Fluss Valgejõgi hat sich da ein schönes Bett gegraben.
Geht man den Weg am Fluss unterhalb des Wasserfalls weiter, stößt man auf die Ruinen eines kleinen Wasserkraftwerkes, welches aus der sowjetischen Zeit stammen könnte. Das Wasser, welches eine Turbine antrieb, wurde über einen auf Stelzen stehenden Betonkanal dorthin gebracht.
Ein Hochmoor kann man bei Kolga erleben. Durch das Virubog führt ein 5,5km langer Wanderweg, wovon 2,5km Bretterweg sind. Der Rand des Virumoores setzt sich deutlich vom normalen Wald ab. Auf Schlag stehen nur noch gespenstisch aussehende, kleine Kiefern in der Landschaft, die nach etwa hundert Metern noch kleiner werden. Bald wachsen sie nur noch vereinzelt und es kommen kleine und größere Wasserlöcher ins Spiel. Schon immer waren sie ein wichtiges Wasserreservoir für die hier lebenden Menschen. Der schöne Sonnentau fühlt sich auch hier wohl. Von einem Aussichtsturm kann man über einen großen Teil des Moores sehen.
Wer eher etwas für Kultur übrig hat, für den sind vielleicht die Landgüter in Sagadi und Palmse etwas. Das Landgut Sagadi steht für die Besucher offen. Nur für das Herrenhaus, zusammen mit dem Waldmuseum, fällt ein Eintrittsgeld von 4,-€ an. Zum Anwesen gehört ein kleiner Park mit Teich, ein Garten und ein Hotel mit Restaurant. Im Restaurant stehen neben Schwein, Rind und Lamm auch Elch und Bär auf dem Speiseplan. Es ist eine sehr schöne Anlage.
Für das gesamte Landgut Palmse werden 9,-€ Eintritt verlangt. Neben dem Gebäudekomplex gehört auch ein riesiger Park mit Wanderwegen, Teichen und Brücken zum Landgut.
Für das leibliche Wohl haben wir einen ganz tollen Tipp: die Taverne Palmse Kõrts. Das Gebäude steht wohl schon seit hunderten von Jahren dort. Wie es aussieht, war es früher eine Poststation mit Taverne. Heute hat die Taverne alle Räume in Beschlag und sieht immer noch so aus wie früher. Das Essen ist echt estnisch und lecker. Das ganze Ambiente ist unverändert rustikal.
Sehenswert ist auch das kleine Fischerdorf Altja. Ganz unten an der Spitze stehen uralte Fischerhütten, die Küste ist mit großen und kleinen Findlingen übersät. Von hier aus kann man zum kleinen Hafen Vergi mit dem kleinen Leuchtturm hinübersehen.
Im Lahemaa Nationalpark scheinen sich die Besucherzahlen in Grenzen zu halten. Wenigstens bekommt man diesen Eindruck, wenn man unterwegs ist. Das sieht in Võsu ganz anders aus. Da kommt man sich an die Ostseeküste versetzt vor. Ein langer, wenn auch nicht gerade breiter Sandstrand lockt jede Menge Badelustige an. Wahrscheinlich besitzt jedes Wohnhaus Võsus mindestens eine Ferienwohnung. Der Campingplatz Lepispea ist mit 19,-€ recht preiswert, sehr groß und direkt am Strand gelegen.
Noch ein Hinweis: Wer sich länger in der Natur des Lahemaa Nationalparks aufhalten möchte, sollte sich mit Lebensmitteln eindecken. Es gibt nur zwei Orte, in denen man das Nötigste bekommt. Das sind Võsu und Loksa.
Auch wenn man keine Elche zu Gesicht bekommt, Dauerthema sind sie trotzdem. Zumal es mehr Elche als Menschen in Estland geben soll. Estland zählt 1,3 Millionen Einwohner. Es gibt aber Elchfleisch im Supermarkt zu kaufen. Wenn „Põdra“ auf der Packung steht, ist Elch drin. Endlich hatten wir Gelegenheit, Elchwurst und -fleisch zu probieren. Es ist vollkommen anders, als man sich das vorstellt. Das Fleisch ist recht hell und liegt geschmacklich zwischen Schwein und Rind. Vielleicht stammt das Fleisch in der Packung des Supermarktes vom Elchkalb, die älteren Tiere haben vielleicht etwas kräftigeres Fleisch. Wir wissen es nicht, können uns das aber vorstellen. Geschmeckt hat es jedenfalls superlecker.