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Carrara

Im Hinterland zwischen Lucca und Carrara türmen sich die Apuanischen Alpen schroff gen Himmel. Die höchsten Gipfel erreichen knapp 2000 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. Kommt man nach Carrara, dann sieht man schon die kahlen Gipfel, die aussehen, als würden sie immer noch Schnee vom letzten Winter tragen. Diese weißen Narben sind Marmorsteinbrüche, die schon zu römischen Zeiten genutzt wurden. Entlang der Via Aurelia haben marmorverarbeitende Betriebe ihren Sitz. Ihre Höfe sind vollgestopft mit großen Marmorblöcken, die auf ihre Auslieferung oder Verarbeitung warten.

Marmor wohin man blickt

Es gibt drei große Steinbrüche: Ravaccione, Colonnata und Fantiscritti. Von Carrara aus am besten zu erreichen ist Fantiscritti, eine gigantische Kulisse schon aus der Ferne. Die schmale Straße, durch die Stadt Carrara kommend, windet sich die Berghänge hinauf, bis direkt ins Zentrum des Geschehens. Man sollte jedoch als Tourist beachten, dass die Lastwagen Vorfahrt haben, denn die haben es immer eilig, um von einem Punkt zum anderen zu kommen. Mit fast wahnwitziger Geschwindigkeit befahren sie die Serpentinen.

Straße zur Grube Fantiscritti

Am Ende der Straße befindet sich der Parkplatz der Grube Fantiscritti. Man kann die Relationen kaum fassen, in denen hier gearbeitet wird. In schwindelerregenden Höhen und auf schmalen Wegen, die Abgründe sind tief, arbeiten die gigantischen Maschinen. Die Geräusche von Presslufthämmern, Baggerschaufeln und LKW-Motoren erfüllen die Luft ringsherum. Manchmal wurden sogar Stollen in die Hänge getrieben. Unglaublich.

Riesenmaschinen erscheinen winzig klein im gewaltigen Berg

Um alles hautnah zu erleben, werden „Marmor-Touren“ im Geländewagen angeboten: 50 Minuten für 12,-€. Oder man sieht sich das kleine Marmor-Museum „Cava Museo“ für 2,-€ Eintritt an. Hier wird die Geschichte des Marmorabbaus von Anbeginn dargestellt.
In der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v.Chr. begann man, den Marmor abzubauen. Die Römer und Griechen benutzten ihn für ihre Thermen, Häuser oder für Möbel. Jede Menge Sklaven schufteten für den Wohlstand der beherrschenden Mittelmeerländer. Bis ins 19. Jahrhundert hinein änderte sich wenig an der Abbautechnik. Zuerst wurden die Blöcke mit Holz, welches sich unter Wasserzugabe ausdehnte und den Marmor aus der Wand sprengte, aus dem Berg gebrochen. Später übernahmen Stahlkeile die Funktion des Abspaltens. Heutzutage wird dem Marmor mit Bohrern und Sägen zu Leibe gerückt. Die Arbeit war und ist bis heute schwierig und gefährlich.

Steine spalten mit Stahlkeilen

Den Abtransport der Blöcke übernahmen zu Römerzeiten Menschen, die sie mit Hilfe von Seilen, Flaschenzügen und Holzbohlen den Berg hinunter schafften. Später übernahmen diese Arbeit Esel und Ochsengespanne mit bis zu 24 Tieren. Manche Blöcke wurden an Ort und Stelle von sogenannten Quadratoren mit Hammer und Meißel in viereckige Formen gehauen.

der Quadrator

Im 19. Jahrhundert kam die Eisenbahn und erleichterte wenigstens den Abtransport des Marmors. Der Abraum blieb liegen und behinderte irgendwann die normale Arbeit. Niemand wusste wohin damit. Marmor zersetzt sich ja nicht mit der Zeit. Inzwischen wird auch dieser genutzt, z.B. in der Pharma- und Kosmetikindustrie, die Marmormehl in Zahnpasta, Cremes und sogar in die Sahne geben. Außerdem wird es als Futterzusatz für Hühner und in der Wäscherei verwendet. Das klingt etwas befremdlich, aber Marmor ist nichts anderes als eine Form von Kalk, und zwar zu 99%. Eine andere Möglichkeit den Abraum zu verarbeiten, ist, den Stein mehlfein zu mahlen und zu pressen und damit z.B. Skulpturen zu erschaffen. Früher war das wohl auch noch Handarbeit. Heutzutage übernehmen CNC-Maschinen die Grobarbeit, bis hin zu einer Feinheit, dass der Mensch eigentlich nur nur die Kanten wegschleifen muss. So entstehen Skulpturen, Brunnen und was auch immer.

so werden Skulpturen heute gemacht

Im Shop der Grube Fantiscritti kann man tolle Sachen aus diesem Pressmarmor, aber auch aus echtem Marmor, Onyx aus Pakistan oder der Türkei, und anderen Marmorarten kaufen. Aus überall in der Welt kommen die Materialien, die hier in Carrara zu Platten, Nutzgegenständen und vielem mehr werden. Es wird also nicht nur einheimischer Marmor verarbeitet.
Vor allem das „Marmorobst“ ist der Knaller. Es ist von echtem Obst nicht zu unterscheiden.

Das ist doch echt, klar! – Nein, ist es nicht, alles Marmor.

Wie entstand eigentlich der Marmor selbst? Vor zweihundert Millionen Jahren breitete sich im Bereich der Apuanischen Alpen ein flaches tropisches Meer aus. Korallen besiedelten damals die Meere, starben ab und bildeten Kalkablagerungen. Das Kalk wurde immer mehr und schwerer, so dass sich der Boden absank und sich die unteren Schichten verdichteten. Hoher Druck und Temperaturen bis zu 450 Grad sorgten dafür, dass aus den Kalkskeletten der Korallen, aus Muschelschalen und Kalkskeletten anderer Tiere Millionen Jahre später Marmor wurde. Je nachdem, was für Beimischungen im Kalk enthalten waren, besitzt der Marmor heute viele verschiedene Farben und Maserungen. Auch die Qualitäten sind unterschiedlich.

Von weißgrau bis bunt ist alles vertreten.

Zu dem Museum gehört auch die Hütte des Grubenverantwortlichen. Sie besaß nur einen Raum, in dem er lebte, arbeitete und schlief, inmitten der vielen lauten Geräusche des Steinbruchs. Nachts war er dann praktisch in Bereitschaft.

Es gibt sogar eine Verbindung von Carrara zu Abu Simbel. Schweden bekam 1964 bis 1968 den Auftrag, die Tempel von Abu Simbel vor den Wasser des neu anzulegenden Nasser-Stausees zu retten und zu versetzen. Eine Gruppe aus Carrara leitete die über 3000 Männer, die diese Leistung vollbrachten, bei ihrer wichtigen Arbeit an.

Voller neuer und gewaltiger Eindrücke fuhren wir zum Stellplatz, ein Parkplatz am Carrarafiere in Marina di Carrara zurück. Die Gemeinde kann sich sogar Parkplatzabgrenzungen aus Marmor leisten. Überall, wo man hinsieht, sieht man Marmor. Mehrere große Skulpturen zieren den Strand und die Promenade des Ortes, Mauern und Böden sind mit Marmorplatten belegt. Sogar die Wellenbrecher an der Mole bestehen aus Marmor. Wo hat man das schon?

Marmorskulptur am Strand von Marina di Carrara

Marina di Carrara ist ein Ferienort mit einer kleinen Stadt dahinter. Von vielen Stellen, und ganz besonders vom Strand aus, kann man die grandiose Kulisse des Fantiscritti-Steinbruchs bewundern. Da muss man einfach immer wieder hinsehen.

Carraras Kulisse vom Strand aus

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