Jedburgh – Kelso
Inzwischen hat sich die Landschaft ein weiteres Mal geändert. Jetzt herrschen Grasland, noch mehr Schafe, Mäuerchen und kleine Waldstücke vor. Apropos Mäuerchen: viele dieser Steinmauern, die als Weide- und Grundstückbegrenzungen dienen und allerorten zu finden sind, stammen wohl von den römischen Forts und dem Hadrianswall, wie wahrscheinlich viele Wohnhäuser. Die Steine waren leicht zu beschaffen und ein idealer Baustoff für dieses nasse Wetter.
Am 07. Juli 2016 überquerten wir die englisch-schottische Grenze auf der A68, an der Carter Bar. Zuvor fuhren wir durch den Northhumberland National Park. Der Nationalpark ist ziemlich groß und ein Naturparadies, ideal für Wanderer. Es führen kaum Straßen hindurch.
An der Carter Bar hatten sogar wir mit unserem großen Motorhome Gelegenheit, anzuhalten und die herrliche Landschaft und Aussicht auf Schottland zu genießen.
Schottland empfing uns mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. In der kurzen Zeit, in der wir verweilten, hielten mehrere deutsche und belgische PKWs, sogar ein deutscher Reisebus. Er ist auf einer 6-Tage-Rundfahrt über Glasgow und Edinburgh unterwegs.
Immer, wenn ein Reisebus hält, spielt ein älterer schottischer Herr mit allem Drum und Dran Dudelsack, nebenbei verkauft er Souvenirs. Es ist ein wirklich schöner Flecken Erde.
Die Stellplatzsuche gestaltete sich diesmal etwas schwierig. Wir hatten nicht vorgebucht, weil wir sehen wollten, ob wir auch irgendwo so stehen können. In Schottland soll das ja einfacher sein. Da wir nichts fanden, fuhren wir einen der Plätze des Caravan Club an, The Bairnkine Farm kurz vor Jedburgh. Dort fanden wir eine Wiese direkt neben einem Kuhstall, der Gestank war unerträglich, dazu voller Fliegen. Das wollten wir uns nicht antun und so fuhren wir weiter. Kurz hinter Jedburgh, bei Ancrum, fanden wir Ashieburn House, ein schöner kleiner und ruhiger Platz auf einem sehr gepflegten Grundstück, für 12,- Pfund die Nacht. Allerdings ist die Einfahrt so eng, dass es Millimeterarbeit ist, das Motorhome dort hindurch zu fädeln, Straßensperrung inklusive.
Bei unserem Besuch von Jedburgh trafen wir am Ortseingang auf eine Sperrung der Straße durch das Ordnungsamt. Wir durften passieren und suchten uns einen Parkplatz. Der zentrale Parkplatz, wie auch die Parkplätze bis dahin, waren alle mit Pferdeanhängern blockiert. Was geht hier bloß ab, fragten wir uns. Nachdem wir mit dem kleinen Smart doch noch ein Plätzchen ergattert hatten, spazierten wir auf die Abbey zu und hörten schon Musik. Vor der Abbey spielte ein Orchester, Musiker in Schottentracht standen bereit.
Nachdem wir eine Weile zugehört hatten, spazierten wir zum Castle and Jail, auf einem Hügel hinter der Abbey gelegen. Der Eintritt ist frei, eine Spende wird gerne angenommen. Eigentlich ist das ganze nur ein Gefängnis. Der Mittelbau mit dem Glockenturm, diente dem Gefängniswärter und seiner Familie sowie seinem Helfer als Wohnstätte. Die Glocke wurde immer dann geläutet, wenn ein Gefangener zu fliehen versuchte. Dieses Wohnhaus zeigt in einer Ausstellung die Geschichte der Stadt Jedburgh, die auch mit dem Leben der Maria Steward, Königin von Schottland, verbunden ist.
Um das Wohnhaus gruppieren sich drei Zellenblöcke. Um 1820 wurde das Gefängnis eingerichtet. Damals waren noch Männer, Frauen und Kinder zusammen untergebracht, egal für welche Verbrechen sie einsaßen, es gab keine Heizung und nur spärliche Verpflegung. Etwa um 1850 trennte man die drei Gefangenengruppen und jede bewohnte einen Zellenblock. Freigang war nur auf einem kleinen Hof möglich. Es wurde jeweils ein Gefangener bestimmt, der sich durch gute Führung auszeichnete. Er bekam eine Zelle mit Kamin, durfte für die Insassen einkaufen oder sogar Tabak konsumieren.
In den Zellenblöcken für Männer und Frauen gab es im Erdgeschoss einen Gemeinschaftsbereich, oben befanden sich die Zellen. Der Block für die Schwererziehbaren (Kinder und Jugendliche) besaß solch einen Raum nicht.
Für die Abbey von Jedburgh wird Eintritt verlangt, deshalb besichtigten wir sie nur von außen. Es sind nur noch Ruinen von ihr übrig. Die Abbey stand bei ihrem Bau im 12. Jahrhundert an der englisch-schottischen Grenze. Die Engländer fielen dann im 14. Jahrhundert immer wieder bei den Schotten ein und zerstörten diese Abbey und weitere Abbeys, wie die von Kelso, Melrose und Dryburgh, mehrfach und gründlich. Jedburgh Abbey war die reichste Abbey.
Inzwischen war ein Umzug in Jedburgh voll im Gange. Die Musikgruppe in den schottischen Kleidern führte den Zug an, dann folgten jede Menge Reiter. Vor der Abbey nahmen etwas später ein paar vornehm gekleidete Leute Aufstellung, an denen der Zug später vorbeimarschierte. Die Straßen waren von Menschenmassen gesäumt, es war ein wirklich großes Ereignis. In der Touristinfo erfuhren wir, dass es sich um das Jedburgh Callants Festival handelt, welches jedes Jahr um diese Zeit stattfindet. Es erinnert an die Zeiten des 13. und 14. Jahrhunderts, als die Schotten ihre Grenze gegen die Engländer verteidigten. Um sich vor Übergriffen zu schützen, patroullierten die verschiedenen Familien an der Grenze entlang.
Kelso liegt am River Tweed und besitzt eigentlich keine alten Bauten. Dafür haben die Engländer in drei Jahrhunderten gesorgt. So besitzt Kelso mit dem großen Marktplatz einen eigenen Charme. Kelso Abbey war einmal die größte der Border-Abbeys, heute ist am wenigsten von ihr übrig.
In der Nähe der Abbey-Ruine befindet sich eine Brücke über den Tweed. Von hier hat man eine schöne Sicht auf die Rückseite von Kelso, wo schöne Wiesen und Terrassen liegen.
Auf der anderen Seite des Flusses zeigt sich Floors Castle, ein Prachtbau, der 1721 gebaut wurde und noch heute von der Familie bewohnt wird. Es ist für Besucher geöffnet.