Wolin (Wollin)
Endlich auf Tour. Erste Station: Wolin (deutsch: Wollin). Die Anfänge der slawischen Stadt liegen im 8. Jahrhundert. Nur zwei Jahrhunderte später war Wollin schon die größte und bedeutendste Handelsstadt Nordeuropas. Der Hafen war der größte, den je jemand gesehen hatte, 300m lang. Viele Stämme, bis hin zu den Griechen, hatten Wohnrecht erhalten. Bis ins 11. Jahrhundert hinein behielt Wollin seine Bedeutung. Erst mit der Ankunft der Wikinger, ihren Überfällen und Plünderungen, begann der Untergang der Stadt.
Im 2. Weltkrieg wurde Wollin zum großen Teil zerstört, so dass es kaum mehr Zeichen aus früheren Zeiten gibt. Die Kirche, einige Wohngebäude und der Getreidespeicher am Fluss überlebten die Kriege. Die Stadt erinnerte sich jedoch an ihre lange Geschichte und legte nach dem Krieg ihren Schwerpunkt auf die Archäologie. Überall in Wollin wurde gegraben und Relikte aus der Slawen- und Wikingerzeit freigelegt. Die bedeutendste Grabung erfolgte auf der Insel vor der heutigen Stadt Wollin, im Fluss Dziwna. Dort befand sich eine Slawensiedlung, die von den Wikingern später übernommen wurde. Das Haithabu Wollin ist heute ein lebendiges Freilandmuseum. Freizeit-Slawen leben in dieser Siedlung wie die frühen Bewohner und stellen Produkte für das tägliche Leben her, die sie auch verkaufen. Ähnliche Anlagen findet man im gesamten südlichen Ostseeraum. Wir besichtigten bisher eine in Südschweden und das „Ukranenland“ in Torgelow.
Am Marktplatz Wolins glänzt das Rathaus aus roten Backsteinen und eine schöne Promenade am Flussufer lädt zum Entspannen ein. Dort ist auch eine Drehbrücke zu finden, die zwei- bis dreimal pro Tag für die Freizeitboote geöffnet wird.
Neben dem Rathaus steht das Heimatmuseum, in dem die reiche Geschichte der Stadt erzählt wird. Überall in der Stadt stehen Informationstafeln zu den einzelnen Stationen, die man im Stadtgebiet entdecken kann.
Am südlichen Ende der Stadt, leider ist eine Beschilderung praktisch nicht vorhanden, so dass ich ziemlich gesucht habe, erheben sich ein paar Hügel. Sie sind mit Wald bewachsen. Auf dem ersten Hügel, von der Stadt aus, erhebt sich das Denkmal mit einem dreiköpfigen Gott. Auf einem der Hügel dahinter stand früher der Galgen. Auf der Rückseite des Galgenhügels fand man ein Areal mit 93 Grabhügeln aus dem 9.-11. Jahrhundert. Es ist somit die älteste Nekropole in Pommern. 34 Gräber mit reichen Grabbeigaben haben die Zeiten und Plünderungen überlebt.
Wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, dem sei der Stellplatz der Familie Lafrentz kurz vor Gogolice empfohlen. Der Platz liegt direkt am Wasser, nur ein paar hundert Meter vom Haithabu Wollin und gut einen Kilometer von der Stadt Wolin entfernt. Hier kann man die Abende genießen, Sonnenuntergänge beobachten und den Lauten der Natur lauschen. Der nette Gastgeber gibt gerne Tipps für Ausflüge.
Der Weg von Gogolice zum Zentrum Wolins gehört zum pommerschen Stück des Jakobsweges nach Santiago de Campostella. 3550 Kilometer hat der Pilger dann noch vor sich. Für uns war es schon das zweite Stück, das wir gelaufen sind. Die erste Bekanntschaft mit dem Jakobsweg machten wir in Nordspanien, in Ponferrada.
Ein Tipp zum Essen gehen in Wollin: das KA la FIOR ist da die erste Adresse, günstige und sehr gute Gerichte. In den Pizzerien kann man zwar billig essen, aber die haben eher Kneipencharakter.
Eine schöne Rundfahrt kann man über die Insel Wollin unternehmen. Wir begannen unsere Tour in Lubin. Von dem dortigen Aussichtspunkt Grodzisko w Lubinie, Eintritt 4.-Zl, hat man einen schönen Blick über das Swinedelta. Wer sich Zeit nimmt, holt sich am Kiosk etwas und genießt den Ausblick aus einem der bereitstehenden Liegestühle, oder von der schönen Terrasse des Kiosks aus.
Das großzügige Gelände ist der Entstehungsort Lubins (Lebbin). Anfang des 12. Jahrhunderts erwähnte man den Ort als eine Burg. Ein Missionar baute zu dieser Zeit die St.-Nikolaus-Kirche. Sie ist die älteste Kirche Pommerns. Erst 2008 begann man mit den Ausgrabungen und entdeckte dabei einen Wohnturm und Reste des Burgwalls, 2009 die Kirche und 2011 einen Friedhof.
Von Lubin aus nur wenige Kilometer Richtung Norden, trifft man auf das Bunker-Minimuseum, das einzige V3-Museum auf polnischem Boden. 1943 wurde das Testgelände für die Geheimwaffe V3 fertiggestellt. Im selben Jahr fand der erste Test der „Superkanone“ statt. Sie erlangt jedoch kaum eine Bedeutung im 2. Weltkrieg, anders als die Vergeltungswaffen V1 und V2, die in Peenemünde auf Usedom getestet wurden. Um die V3 abzuschießen, war eine lange Rampe notwendig. Die Betonsockel für das Druckrohr sind heute noch im Wald in Museumsnähe zu besichtigen. Das Besondere an der Konstruktion war, dass die Rakete mehrere Schübe bekam, um eine Reichweite von 160km zu erreichen. Eintritt ins Minimuseum: 5,-Zl, die Ruinen oben im Wald sind gratis zu besichtigen.
Von Miedzyzdroje (Misdroy) aus ist der Weg zum Wisent-Gehege ausgeschildert. Wer Interesse hat, findet in der Stadt auch das Museum zum Wolin-Nationalpark, ein Naturkundemuseum. Der Eintritt ins Wisent-Gehege kostet 7,-Zl, allerdings ist der Park mehr etwas für Kinder. Die Anzahl der Tiere lässt eher zu wünschen übrig. Neben den Wisenten gibt es ein Wildschwein-Gehege, gerade einmal mit zwei Tieren, eine Voliere mit einem einsamen Seeadler, und im Reh-Gehege konnten wir nur ein Tier entdecken. Vielleicht sind es Tiere, die Hilfe brauchen.
Schwerpunkt des Parks sind natürlich die Wisente, um deren Zucht und Erhalt man sich kümmert. Der ganze Park soll 28 Hektar groß sein, wovon die Wisente allein 20 Hektar beanspruchen können. Sie leben weitestgehend ungestört. Um die Tiere zu den Beobachtungsstellen zu bekommen, hat man dort die Tränke angelegt. Es leben ständig 5-12 Wisente im Park. Die Tiere sind einiges kleiner als ihre amerikanischen Verwandten, die Bisons. Ehrlich gesagt, war es meine erste Begegnung mit Wisenten. Die gewaltigen Bisons habe ich dagegen schon einige Male sehen dürfen.
Weltweit existieren heute um die 5000 Wisente, die alle von den letzten 12 Tieren abstammen, die man nach dem Krieg von Privatleuten übernahm. 5000 hört sich viel an, aber die Wisente sind immer noch in ihrer Art bedroht, denn sie fallen immer wieder verschiedenen Krankheiten, wie Maul- und Klauenseuche oder Tuberkulose, zum Opfer.
Das Seebad Miedzyzdroje (Misdroy) ist ein Touristenmagnet. Einige Villen, deren Stil leicht an die deutsche Bäderarchitektur erinnert, zeugen von einer glanzvollen Geschichte. Ein langer Sandstrand trennt die Stadt von der Ostsee, in die die Seebrücke hineinragt. Die Promenade vor und die Seebrücke an sich sind sehr kommerziell ausgerichtet. Die Fußgängerzone in der Stadt ist dagegen eher ruhig.
Vom Ende der Seebrücke aus fahren Schiffe zu mehreren Usedomer Häfen.
Sehr leckeren Räucherfisch, frisch aus dem Ofen und in reicher Auswahl, bekommt man am Strandabschnitt F am westlichen Ende von Miedzyzdroje. Möchte man Fisch essen, gebraten oder geräuchert, dann laden unzählige kleine Kneipen direkt am Strandabschnitt A am östlichen Ende der Stadt dazu ein. Auf Empfehlung unseres Gastgebers kehrten wir im Strzecha ein. Das Essen dort ist zwar einfach, aber sehr lecker und vielfältig.
Nach dem Essen kann man sich die Füße am Strand entlang unterhalb der Steilküste vertreten.
Die Rundfahrt über die Insel Wolin, zurück nach Wolin, nahmen wir weiter auf der Küstenstraße 102, die immer nur durch den jetzt gerade frisch-grünen Buchenwald führt. Irgendwo biegt ein Waldweg zur Steilküste ab, wo zu Fuß ein weiterer Aussichtspunkt zu finden ist. Kurz vor Miedzywodzie bogen wir nach Süden ab. Durch eine schöne Landschaft und kleine Orte, immer an der Dziwna entlang, erreichten wir Wolin.
Ein anderes Ausflugsziel ist Kamien Pomorski, nordöstlich von Wolin. Nachdem, was wir über die Stadt gelesen haben und nach der Größe der Stadt auf der Karte zu urteilen, hatten wir uns ein Bild zurechtgelegt. Ganz das Gegenteil erwartete uns. Das Zentrum ist sehr klein und es gibt nicht viel Sehenswertes. Neben dem sehr hübsch anzusehenden Rathaus ist die Hauptsehenswürdigkeit der gotische Dom des heiligen Johannes. Zum Pfarrbezirk, Kamien Pomorski wurde im 12. Jahrhundert Bischofssitz, gehören weitere Bauten rund um den Dom. wie der Bischofspalast. Reste der Stadtmauer sind noch erhalten.
Schön ist es auch an der Marina, an die ein kleiner Park anschließt.
Was hat die Natur um Wolin zu bieten? Neben den üblichen Tieren und Vögeln wie Kormoranen, Krähen, Spatzen usw. erfreute uns die Natur mit Kuckucken, Rehen, einem Eichelhäher, einer Handvoll Pirole, die uns morgens weckten, und einer Ringelnatter, die in Strandnähe im Wasser schwamm. Am meisten freute uns das Weißschwanz-Seeadler-Pärchen. Sie nisten wohl im an den Stellplatz grenzenden Wald und fliegen mehrmals am Tag über unsere Köpfe hinweg, um im Woliner Haff auf Beutezug zu gehen. Was uns allerdings zu denken gibt, sind die riesigen Mückenschwärme, wie wir bisher noch keine gesehen haben, und die summen, als säße man im Bienenstock. Bis jetzt sind nur die unbedenklichen Männchen unterwegs. Wenn jedoch im Mai/Juni die Weibchen schlüpfen, dann wird das wohl nicht wirklich lustig werden.